Samstag, 14. Juli 2012

Kleinigkeiten


Du läufst den Boulevard entlang, während die Sonne dir sanft das Näschen kitzelt,
für einen ganz kleinen Moment schließt du die Augen und dir erschließt sich auf einmal die ganze Welt.
Du öffnest sie wieder und siehst all diese Menschen, wie sie eilen mit ihren verzerrten Mienen.
Sie grübeln und schnattern und grübeln unentwegt.
Du bist wie sie, das weißt du.
Jetzt aber, hast du einen dieser Momente, in denen alles klar ist.
Links neben dir steht ein Obdachloser.  Er steht dort und bettelt und schreit Dinge in die Welt, die du nicht verstehst. Du regst dich auf, doch dann wird dir klar, dass er krank sein muss, dass es ihm schlecht geht.
Rechts neben dir sitzen die Leute und schlürfen ihren Cafe, sie beäugen das ganze Geschehen, während sie auch dich beäugen. Sie schütteln die Köpfe und zweifeln. Sie zweifeln, wie sie es immer tun.
Du gehst weiter und kommst dir vor, wie ein kantiger Gegenstand, der versucht sanft durch die Massen zu gleiten, doch irgendwie erwischen sie dich immer an einer Ecke. Heute tut es einfach nur weh und du ärgerst dich nicht darüber.
Rechts ein Musikant, schöne Musik die er da macht und du verlangsamst deinen Schritt unmerklich, suchst in den Schaufenstern, um nur noch etwas länger das Ohr in Richtung Musik zu richten. Eigentlich würdest du gern etwas spenden, doch das Portemonnaie ist ganz unten in der Tasche.
Du bekommst ein schlechtes Gewissen und statt, wie sonst, schneller zu werden greifst du in die Tasche und jonglierst mit zwei Fingern das Geld heraus. Etwas Gutes tun.

Der Musikant sieht irgendwie glücklich aus. Vielleicht muss er jede Münze umdrehen. Vielleicht tut er das aber gar nicht, weil er die kleinen Dinge liebt; weil er sie begreift.
Da! Dieses Gesicht, es war wunderschön. Doch irgendetwas hat es entstellt. Es muss das Leben gewesen sein. Die Falten waren tief und die Augen zerfurcht. Was mag in diesem Menschen vorgehen?
Er hat viel Leid ertragen und du fragst dich, ob du auch irgendwann einmal an diese Stelle kommst.

Ein kleines Kind. Es ist dir gegen das Bein gelaufen. Du hast dich erschrocken aber lächelst es unentwegt an. Es lächelt schüchtern zurück und rennt zu seiner Mutter, die mit sehr ungeduldigem Blick wartet und sich entschuldigt. Du winkst ab, denn schließlich, hat dich gerade die Unschuld berührt.
Am Ende des Tages stehst du vor deinem Spiegel und schaust dir tief in die Augen.
Irgendetwas regt sich in dir, doch du kannst es nicht richtig deuten. Etwas Glück ist dabei.
Du fragst dich, weshalb du die Dinge heute so klar gesehen hast. Du hast hinter die Mauern geguckt, es zumindest versucht. Du fühlst dich gut dabei, doch irgendwie hat es dich auch viel Kraft gekostet.
Immer willst du es nun so machen, da das doch die nettere Variante ist, doch schon am nächsten Tag ist alles vergessen und du fügst dich wieder perfekt in die Masse ein.
Doch am Ende wird alles gut und solange nicht alles gut ist, bist du noch nicht am Ende.

Dienstag, 8. Mai 2012

>Augen-blick<





Es ist nur ein winziger Augenblick, indem ich den deinen auf mir spüre, doch dieser Augenblick ist mehr als nur ein Blick, weil er  nicht nur „oben“ schaut, sondern weil er tief in mich eindringt. Dieser Augenblick, wenn man den Blick erwidert; wenn sich die die Blicke treffen, Freundschaft schließen und beschließen EINS zu werden, dann tobt in dir ein wilder Sturm, den niemand zu bändigen vermag. Der Blick in die Seele des anderen ist wie ein Sprung nach Utopia. Der Anblick einer fremden Seele ist wie eine Gradwanderung zwischen Verderben und unbändiger Herzensquelle. Was ich dort zu finden suche, ist gut versteckt und schwer bewacht. Doch jetzt, da ich so tief in die Welten deiner Seele vorgedrungen bin, kann mich nichts mehr aufhalten. Nichts außer dem Verlust des Blickkontaktes. Jäh schaust du fort, wohl, weil du weißt, wie weit ich schon war und so durchfährt mich ein Blitz und es schmerzt, als du den Blick von mir wandtest. 

Donnerstag, 8. März 2012

Wirbelmomente


Kennst du das? Du erwischt dich dabei, wie du mit deinen Gedanken immer wieder abweichst von dem, was du gerade tust. Du siehst Bilder von längst vergangenen Tagen vor deinem geistigen Auge. Diese Bilder erfüllen dich und zaubern dir ein Lächeln. Du merkst, wie es dir den Boden unter den Füßen nimmt und die Erinnerungen plötzlich wieder mit jeder Faser deines Körpers spürbar sind. Die sengende Hitze, die Sonne und das Eis für 11Euro. Immer mehr  Bilder und Filmchen kommen zurück. Du hörst wieder dieses schallende Gelächter; du spürst das Glück. Ein Moment jagt den nächsten. Ihr weint zusammen, malt euch den Tod aus. Du landest in einem Wirbel, weißt nicht wo dir der Kopf steht und aus zauberhaften Minuten werden grausame, weil dir schmerzlich bewusst wird, dass diese Stunden gezählt sind und du nie wieder dorthin zurück kannst. Kein Zurück, einzig Flucht. Wird es jemals wieder so gut werden?  Man will verzagen, einfach aufgeben. Für Tränen ist kein Raum also musst du sie schlucken, bis du daran ertrinkst. Vielleicht gibt es Menschen, die diese Tränen trocknen können, doch sie sind selten und wahrscheinlich das Kostbarste in deinem Leben.  Sie sind da, wenn es dir gut geht und sie sind da, wenn es dir schlecht geht. Vor allem aber, sind sie da. 

Sonntag, 23. Oktober 2011

Ein Gedicht aus vergangen Zeiten (2)


Küss mich
 
O du verheißungsvolles Leben!
Bist ein seltsam´ Gemüt,
führst mich ans Licht
und stürzt mich in die Nacht
 
O du verheißungsvolles Leben!
trübst mir die Sinne
mit erhellendem Schein
zeigst mir die Lüste
 
O verheißungsvolles Leben!
Wirfst mich hin und her
im Wirbel der Menschheit
irr ich umher
 
O verheißungsvolles Leben!
Gib mir Kraft,
gib mir Hoffnung
und ich schenk dir mein Innerstes.
 
O kummervolles Leben!
Was treibst du nur mit mir,
dass du mich so leiden lässt
ich kann mich nicht seh´n.
 
O kummervolles Leben!
was bin ich nur?
Aus dem Kinde ward ein Monster,
so schau mich an.
 
O kummervolles Leben!
Sag mir was du siehst,
die Hülle ist nur geschunden,
die Seele tief berührt.
 
O kummervolles Leben!
Nicht länger will ich noch dir gehören,
warst mir zu oft kein treuer Freund,
ich spür wie du von mir weichst.
 
O sanfter Tod!
In verheißungsvoller Stille,
legst du dein Band
um mich
 
O sanfter Tod!
Schon ewig umwirbst du mich,
schon lange buhl ich um deine Gunst,
so fühl ich das starke Band
O sanfter Tod!
Nimm mich,
leg´ deine Arme um mich,
halt mich fest
und entführ´ mich dem Licht
O sanfter Tod!
Ich spür´ das Zittern
deines Atems
Still! ´s íst mein Körper
fürchtet sich vor der Kälte deines Kusses
O sanfter Tod!
So küss mich warm
ich hab so Angst zu geh´n
Will nicht mehr länger hier steh´n
O sanfter Tod!
Nimm mich fort,
küss mich still,
leg mir dein Geschmeide an
werd´ mein Geist,
nimm meine Seel´.
O sanfter Tod!
Das Leben schwindet,
mein Herz so still empfindet.
Das Licht erlischt,
das Leben weicht.
O sanfter Tod!
Meine letzte Beicht.
O sanfter Tod!
Ich schwinde.
O sanfter Tod!
Hol mir das Licht zurück!
Will hoffen,
Stärke schöpfen
gehör mir ganz allein!
O sanfter Tod, mein sanfter!
 

Erkenntnis eines Bekloppten(1)

Manchmal versetzen einen die Menschen in die eigene Vergangenheit und man begreift aus der Gegenwart heraus, was eigentlich geschehen ist. Nach der Liebe zu lechzen ist wie im Treibsand zu stecken. Umso angestrengter man danach fasst, desto schneller versinkt man in einem Geflecht aus Hoffnungen, Träumen und Täuschungen und dann ist die Enttäuschung doppelt so groß, wie die Täuschung selbst.

Selbstbestimmt?


Vor ein paar Tagen, stellte man mir scheinbar beiläufig die Frage, ob ich eigentlich selbstbestimmt sei. Ich antwortete erst einmal mit einem "ja", doch im Nachhinein stellte ich mir die Frage noch einmal selbst und kam zu dem Schluss, dass ich nicht wirklich selbstbestimmt bin.
Ich handele doch täglich nach Mustern, Regeln und Wünschen anderer Leute. Selbst wenn ich mir einen eigenen Wunsch erfülle, ist dieser Wunsch doch Produkt von Fremdbestimmung. Manchmal verstehe ich das ganze Leben nicht mehr und noch weniger mich selbst. Für all meine Probleme und Komplexe hat man nur eine Antwort. Du musst dir selbst helfen - du musst zu dir selbst finden!
Wie macht man das? Soll ich in einen buddhistischen Schrein gehen und meditieren oder reicht es, wenn ich mich vor dem Einschlafen selbst refelktiere? Wann hat man sich denn selbst gefunden?
Vielleicht sollte ich die Hilfe eines Psychologen in Anspruch nehmen, die wissen doch viel besser, wie sie den Problemen auf den Grund gehen können. Doch selbst da scheitere ich schon. "Füllen sie diesen Fragebogen bitte ehrlich aus!" - aber wie soll ich denn ehrlich sein?
Ich habe manchmal das Gefühl, dass alles was ich sage oder auch nur denke gar nicht Produkt meines Selbst ist. Ich fühle mich wie ein Schwamm, der alles um sich herum aufsaugt, verarbeitet, kompatibel macht und dann wiederspiegelt - wie kann ich dann ehrlich sein?
Ich weiß nicht, was ich ankreuzen soll, ohne ein verkehrtes Bild von mir entstehen zu lassen. Höre ich Musik gerne, weil mir jemand gesagt hat, dass sie gut ist oder höre ich sie, weil ich sie selbst gut finde?
Natürlich weil ich sie selbst gut finde. Wer würde sich die Blöße geben und zugeben, dass er die Musik hört, weil der Freund oder die Freundin sie hören?!
Ich bin verwirrt.
Wann beginnt und endet Selbstbestimmung?
Das Leben mancher Menschen sieht so einfach aus. Immer glücklich, immer gut drauf und scheinbar selbstbestimmt. Wieso? Denken die einfach nicht drüber nach oder bin ich nur gestört in meinem Denken?

Herr Paul und seine Leiden (1)


HERR PAUL UND SEINE LEIDEN
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DESSUS DESSOUS
oder
Dann kam Friederich
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Eine kurze, groteske Geschichte
von
Oliver Siegl
(2009)
V O R S P I E L
EINS oder der, der in der Wand wohnt
Hartmut war einer von jenen Menschen, die die Natur und ihre Bewohner schätzten und liebten. Er hatte schon immer eine tiefere Bindung zu Bäumen als zu den Kindern in seiner Klasse und so wunderte sich niemand, dass Hartmut manchmal stundenlang im Wald war und mit den Bäumen sprach. Besonders mit einem Baum redete er viel. Er nannte sie Sieglinde. Sie war eine Dame, das hatte er von Anfang an gewusst, denn er hatte die Gabe, die männlichen von den weiblichen Bäumen zu unterscheiden. Er wusste, dass war etwas besonderes. Er konnte die Schmerzen der Natur förmlich spüren und so zuckte er jedes Mal zusammen, wenn irgendwo ein Tier starb oder ein Baum gefällt wurde. Immer wenn das geschah, lief Hartmut zu seiner Sieglinde. Sie war ein großer, alter Baum, dem es an Verstand nicht fehlte. Eines Tages, als seine Eltern mal wieder beschäftigt waren, ging Hartmut in den Wald und wollte seine Liebste besuchen, doch als er ankam, war sie fort. Nur noch ein großes Loch an ihrer Stelle. Hartmut war zu Tode betrübt und erlitt einen schweren Schock. Sieben Tage und sieben Nächte lag Hartmut dort bis ihn seine Eltern fanden. Er vermutete, dass sein Vater den Baum abgeholzt hatte, um ihn für den Bau des Hauses zu benutzen. Zu Hause angekommen, kroch er zwischen die Holzwände und streichelte das Holz, von dem er dachte es sei seine Sieglinde. Irgendwann schlief er ein und träumte von vielen Bäumen, die fröhlich auf einer Wiese herumtollten. Seine Eltern merkten es nicht, dass ihr Ältester zwischen den Wänden schlief und schlossen das Loch.
Hartmut sollte für sehr lange Zeit nicht wieder gesehen werden. Seine Eltern suchten noch lange nach ihm. Sie durchforsteten die ganze Gegend, doch sie sollten ihn nicht finden.
Eines Tages verschwanden auch sie auf mysteriöse Weise.